Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, hat die Fachakademie St. Hildegard seit dem Schuljahr 2018/2019 „OptiPrax” – „Erzieherausbildung mit optimierten Praxisphasen“ eingeführt. Der Modellversuch des bayerischen Kultusministeriums bietet eine auf drei Jahre verkürzte und noch dazu vergütete Form der Erzieherausbildung für Abiturienten.

Die Bilanz nach einem Jahr ist positiv.

„Ohne OptiPrax säßen wir heute nicht hier” – da sind sich die 15 Studierenden der Modellklasse an der Fachakademie für Sozialpädagogik St. Hildegard in Würzburg einig. Sie alle haben Abitur oder Fachabitur. Nicht wenige haben danach ein Studium begonnen. Lehramt, Pädagogik, Geoinformatik.  Der hohe Leistungsdruck, die stark theoretische Ausrichtung und schlechte Jobaussichten hätten sie dazu bewogen, ihr Studium abzubrechen und sich neu zu orientieren, erzählen sie.

Die Erzieherausbildung hätten sie hauptsächlich wegen „OptiPrax” in Betracht gezogen. Die Möglichkeit, sich in drei statt vier Jahren zum Erzieher qualifizieren zu können und durchgehend nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes bezahlt zu werden, sei ausschlaggebend gewesen. „Vier Jahre wären mir nach Abi und Studium definitiv zu lang gewesen”, berichtet eine Studentin und erntet allgemeines Nicken. „Außerdem wollte ich endlich auf eigenen Beinen stehen und Geld verdienen.” In der regulären Erzieherausbildung erfolgt eine Unterstützung über BAföG oder Meister-BAföG, falls die Voraussetzungen gegeben sind, und erst im Anerkennungsjahr eine tarifliche Vergütung von ca. 1600 Euro monatlich. Durch „OptiPrax” kommen die Auszubildenden sofort auf 1018,26 Euro (brutto) im Monat.
Dass die 15 „OptiPraxler” andere Rahmenbedingungen genießen, stößt nicht immer auf Verständnis bei ihren Mitstudierenden an der FAKS. Vor allem der finanzielle Unterschied sei natürlich ein Thema, erzählen sie. Verständlich sei das schon. „Aber wir müssen ja auch alles in kürzerer Zeit schaffen und haben einen höheren Praxisanteil”, erklären die Studierenden.

Hier zeigt sich der wohl inhaltlich größte Unterschied zum klassischen Modell. Die Zugangsvoraussetzung zur regulären Erzieherausbildung ist normalerweise der Mittlere Bildungsabschluss sowie der Erstberuf Kinderpfleger.  Im Anschluss daran erfolgen eine zweijährige theoretische Ausbildung sowie ein einjähriges Berufspraktikum. (Die fünfjährige Erzieherausbildung arbeitet mit Blockmodellen: Nach einer zweijährigen Praxisphase folgt eine zweijährige schulische Ausbildung, zuletzt ein einjähriges Berufspraktikum.) 

„Beim Optiprax-Modell werden an zwei bis drei Tagen pro Woche theoretische Inhalte an der FAKS vermittelt. Die restliche Zeit sammeln die Studierenden praktische Erfahrungen in ihrer sozialpädagogischen Einrichtung”, erklärt Dr. Michael Wolf, Fachbereichsleiter für OptiPrax an der Fachakademie St. Hildegard. Dadurch sei von Anfang an eine engere Verzahnung von Theorie und Praxis möglich. OptiPrax solle die klassische Erzieherausbildung nicht ersetzen, sondern neue Zielgruppen ansprechen, erklärt Wolf.
Der ständige Wechsel zwischen Schule und Arbeit habe viele Vorteile, sei aber auch sehr anstrengend, gestehen die Studierenden. Einen Rhythmus zu finden, brauche Zeit. Auch die Einsatzorte – Kitas, Krippen, Horte, Jugendhilfeeinrichtungen – seien noch nicht daran gewöhnt, nur ein paar Tage pro Woche auf die angehenden Erzieherinnen und Erzieher zurückgreifen zu können. Noch dazu haben die „OptiPraxler” Urlaubsanspruch statt Ferien. Wertvolle Unterstützung erhalten die Studierenden hier von ihrem Betreuer Dr. Michael Wolf. „Wenn wir Probleme haben oder es Unstimmigkeiten gibt, ist er sofort zur Stelle”, betonen sie. „Man spürt einfach, dass ihm das Projekt am Herzen liegt.”

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Übrigens: Die Fachakademie der Caritas in Aschaffenburg beteiligt sich auch an diesem Modellversuch und hat im Sommer 2019 die ersten Absolventen verabschiedet. 
Julia Eyrisch | Caritas